Special: Einteilung der Zahnfleischerkrankungen
(international)
Innerhalb der Zahnmedizin ist das systematische Erforschen und
Erkennen von Zahnfleischerkrankungen noch eine relativ junge
Wissenschaft. Durch moderne
Untersuchungs- und Diagnosemethoden
wurde es möglich, die Ursachen für eine derartige Erkrankung
sicherer zu bestimmen, die verschiedenen
Formen der Entzündungen voneinander zu unterscheiden und daraus
entsprechende Behandlungskonsequenzen abzuleiten. Viele Haut- bzw. Allgemeinerkrankungen zeigen sich sich u.a. als Veränderungen der Mundschleimhaut; oft schon eher, bevor sie an der eigentlichen Krankheitsstelle auftreten. Als gesichertes Wissen gilt, dass bei Zahnfleischerkrankungen der körpereigenen Abwehr und dem lymphatischen System eine zentrale Bedeutung zukommen; die früher vertretene Auffassung, dass die Zahnbeläge und deren Entfernung allein für die Schwere einer Erkrankung verantwortlich sind, wurde zugunsten eines multifaktorellen Geschehens relativiert. Der Abbau des Zahnhalteapparates ("Zahnfleischschwund", Zahnlockerung usw.) wird als eine "überschießende" Reaktion des Körpers auf die Bakterienangriffe gewertet: Durch komplexe Abläufe innerhalb des Immunsystems wurden gewisse Toleranzmechanismen entwickelt um einerseits in der Mundhöhle natürlich vorkommende (und nützliche) Bakterien nicht anzugreifen, dagegen aber für den Organismus bedrohliche zu bekämpfen, andererseits dafür zu sorgen, dass die Immunreaktionen zunächst "in geregelten Bahnen" verlaufen. |
Bei
tiefen Zahnfleischtaschen und einer damit verbundenen großen Menge
von schädlichen Mikroorganismen kann es nun zu massiven
Überreaktionen kommen, welche - in Schüben ablaufend - schließlich
zum Zahnverlust führen. Daneben können bei einer Fehlfunktion der Immunabwehr auch zahlreiche Infektionsgeschehen auf andere Organsysteme übergreifen und entsprechende negative Reaktionen auslösen bzw. "schlummernde" Prozesse zum Ausbruch bringen. Zahnfleischerkrankungen bei Kindern und Jugendlichen werden
relativ selten beobachtet: |
Die neue PAR-Richtlinie – ein großer Schritt für die
zahnärztliche Versorgung (zm, 2021)
KZBV und Kassen einigen sich einvernehmlich auf
Leistungspaket (zm, 2021)
Richtlinie zur systematischen Behandlung von Parodontitis und anderer
Parodontalerkrankungen: Erstfassung
(G-BA, 2021)
Behandlungs-Richtlinien: Folgeanpassungen im Zusammenhang mit der
Erstfassung der PAR-RL,
(G-BA, 2021)
Neu in 2019:
Klinischer Leitfaden: Die neue Klassifikation
parodontaler und peri-implantärer Erkrankungen und Zustände
Patienteninformation: Parodontalbehandlung (zm, 2020)
Gingivitis
|
Eine der häufigsten Erkrankungen des
Körpers.
Die
akute Gingivitis (engl.: acute gingivitis) beginnt meist in den
Zahnzwischenräumen;
sie ist i.d.R. eine momentane (akute) Form der chronischen
Gingivitis; sie bildet sich entweder wieder in ihre chronische Form
zurück oder kann sich zur akuten nekrotisierenden ulzerativen (ANUG) Form
verschlechtern. Als Ursachen kommen mechanische und thermische Reize
im Zusammenwirken mit einer bakteriellen Verunreinigung aus der Plaque in Betracht. Relativ leicht
zu behandeln mit guter Mundhygiene und unterstützenden Mundspülungen
Eine definitive Diagnose der Erkrankung kann meist nur histologisch gestellt
werden. Zur Therapie werden vorgeschlagen: An Mikroorganismen sind bei
dieser Erkrankung besonders anzutreffen: |
Parodontitis oder Entzündung des Zahnhalte- bewiesene/vermutete Auswirkungen
|
Die
unbehandelte Gingivitis ergreift je nach
Konstitution und Verhalten des Patienten auf Dauer nicht nur das
Zahnfleisch allein an, sondern befällt auch die anderen Teile des Zahnhalteapparates mit einem
fortschreitenden Verlust an Zahnhalte- und -stützgewebe: Es entsteht
die sog.
marginale Parodontitis (marginal =
zum (Zahnfleisch)Rand gehörig; Parodontitis =
Zahnbettentzündung), welche an einzelnen, mehreren oder allen Zähnen
auftreten kann. Die Erkrankung verläuft in Schüben, wobei
anatomische, funktionelle und allgemeine Besonderheiten des
Patienten den Verlauf und die Schwere des Krankheitsbildes
wesentlich beeinflussen. Klinische Beobachtungen deuten eindeutig
auf zusätzlich auslösende Faktoren wie Depressionen, Einsamkeit,
Stress und Angst für die Schwere und den Verlauf der Erkrankung hin. Es gibt einen bedeutenden Unterschied zwischen entzündlichen Zahnfleischerkrankungen und klassischen Infektionen: Die meisten klassischen Infektionen spielen sich in Geweben oder Organen ab, die nach der Ausheilung nach außen hin abgeschlossen und damit vor Bakterien geschützt sind. Im Gegensatz dazu handelt es sich beim Parodont um eine auch nach der Therapie gegen außen offen bleibende Struktur. Dies bedeutet, dass nach jeder Parodontalbehandlung, ob medikamentös unterstützt oder nicht, Maßnahmen zur Verhinderung einer Infektion ergriffen werden müssen. In diesem Zusammenlang kommt einer optimalen Mundhygiene, die die Neubildung von Biofilmen wirksam unterdrückt, größte Bedeutung zu. Ohne das Vorhandensein bestimmter Bakterien ( ![]() ![]() Wenn auch Rauchen als allgemein anerkannter Risiko-Faktor genannt wird, so sind bisher die Entstehungsmechanismen unklar. Es wird vermutet, dass Rauchen die Freisetzung entzündungsauslösender Zytokine (sog. T-Lymphozyten) beeinflusst, welche die Immunreaktion in der Zahnfleischtasche steuern. Neueste Erkenntnisse über die Übertragbarkeit der Krankheitserreger haben gezeigt, dass bei 30% aller untersuchten Partner innerhalb einer Familie bzw. Lebensgemeinschaft dieselben Keime nachgewiesen werden konnten, wie bei dem Erkrankten. Der Übertragungsweg erfolgt über gemeinsam benutztes Essgeschirr und Intimkontakte. Zwar ist noch nicht geklärt, ob es immer zu einer Übertragung der Erkrankung kommt, oder ob hierfür zusätzlich weitere Faktoren hinzukommen müssen. Empfehlungen gehen deshalb dahin, bei Patienten mit schweren, nicht durch mangelnde Mundhygiene bedingten Erkrankungen den Partner in die Therapie mit einzubeziehen - auch dann, wenn dieser kein sichtbares Krankheitsbild aufweist. |
Chronische adulte Parodontitis (AP) (engl.: adult periodontitis)
|
Die unbehandelte Gingivitis ergreift je nach Konstitution und Verhalten des Patienten auf Dauer nicht nur das Zahnfleisch allein an, sondern befällt auch die anderen Teile des Zahnhalteapparates mit einem fortschreitenden Verlust an Zahnhalte- und -stützgewebe: es entsteht die sog. marginale Parodontitis, welche an einzelnen, mehreren oder allen Zähnen auftreten kann. Die Erkrankung verläuft in Schüben, wobei anatomische, funktionelle und allgemeine Besonderheiten des Patienten den Verlauf und die Schwere des Krankheitsbildes wesentlich beeinflussen:
An Mikroorganismen sind bei dieser
Erkrankung besonders anzutreffen: |
Refraktäre marginale Parodontitis
|
Hierbei handelt es sich um eine schwere
Verlaufsform der AP, welche sich besonders durch eine
Behandlungsunempfindlichkeit gegenüber konventionellen Methoden (=
refraktär) auszeichnet. Es kommt zu einem raschen Abbau des Zahnstützgewebes; ohne
Therapie mit speziellen
Antibiotika zur Bekämpfung der Markerkeime ist eine Erhaltung
der Zähne meist nicht möglich:
An
Mikroorganismen
sind bei dieser Erkrankung besonders anzutreffen: |
präpubertäre Parodontitis (PP) (engl.: prepubertal periodontitis) |
Sehr selten auftretende
Erkrankung des Zahnhalteapparates
im Milch- /
Wechselgebiss im Alter
zwischen 4 und 10 Jahren. Neben
genetischen Faktoren ist die Zahl der Markerkeime stark erhöht. |
Lokalisierte, juvenile Parodontitis
(LJP) |
Diese Form befällt Jugendliche (= juvenil) zum
Beginn der Pubertät mit einem Prozentsatz von ca. 0.5 und hat häufig
ihren Ursprung schon im Milch- /
Wechselgebiss als präpubertäre Parodontitis. Das weibliche Geschlecht ist mit dem
Faktor 4 bevorzugt:
|
Schnell verlaufende, progressive oder aggressive Parodontitis (RPP,
AgP) (engl.: rapidly progressive periodontitis) |
früher als
Parodontitis
marginalis progressiva bezeichnet. Die Unterscheidung zur
chronischen Parodontitis sind fließend und häufig diagnostisch primär
nicht abgrenzbar.
An Mikroorganismen
sind bei dieser Erkrankung besonders anzutreffen: |
Parodontitis als Folge
allgemeiner Erkrankungen![]() ![]() Lichen der Zunge |
Das Zahnfleisch - oder auch die Mundschleimhaut generell
- wird auch als "Spiegel des Körpers" bezeichnet. Viele
Allgemeinerkrankungen haben deshalb auch ihre Auswirkungen auf die
Mundschleimhaut oder den
Zahnhalteapparat, so z.B.
Erkrankungen des
Immunsystems, Mangelernährung verbunden mit
Vitaminmangelerscheinungen, Stoffwechselerkrankungen (z.B.
schlecht
eingestellte Zuckerkrankheit), Medikamenten-, Nikotin- und Alkoholabusus, Medikamentennebenwirkungen (z.B. Kalziumblocker),
virale Erkrankungen (z.B. Herpes,
HIV-1). Als Beispiel sei die belegte Zunge bei
Blinddarmentzündung (Appendizitis) sowie Pilzerkrankungen des Mundes
(Candidiasis) und Formen
von Autoimmunerkrankungen genannt. Daneben gibt es eigenständige Erkrankungen
der Mundschleimhaut, wie
Lichen ruber
planus oder die Leukoplakie.![]() |
Parodontose | auch involutive
Parodontopathie; kaum behandelbarer Rückgang des Zahnhalteapparates mit
letztendlichem Ausfall der Zähne ohne irgendwelche Spuren einer
Entzündung; die Ursachen sind alters- und
genetisch bedingt.
Laienhaftes Schlagwort für jegliche Form einer Zahnfleischentzündung
bzw. eines -schwundes.![]() |
Erkrankungen auslösende Keime
nach Benz/Wöhrl (München) in ZMK
9/00 S.538
Markerkeime
http://www.izz-on.de/fileadmin/magazine/2018_0200/ZBW201802.pdf
(ab Seite 22; Zahnärzteblatt, 2018)
Erreger | Art / Form | Lebensklima | Gefährlichkeit |
Actinobacillus actinomycetemcomitans | gram - ; Stäbchen | fakultativ anaerob | +++ |
Porphyromonas gingivalis | gram - ; Stäbchen | anaerob | +++ |
Prevotella intermedia ("Frühmarker") | gram - ; Stäbchen | anaerob | ++ |
Bacteroides forsythus | gram - ; Stäbchen | anaerob | ++ |
Treponema denticola | gram - ; Schrauben | anaerob | ++ |
Campylobacter rectus | gram - ; Schrauben | anaerob | ++ |
Fusobacterium nucleatum | gram - ; Stäbchen | anaerob | + |
Selemonas species | gram - ; Stäbchen | anaerob | + |
Eikenella corrodens | gram - ; Stäbchen | fakultativ anaerob | + |
Peptostreptococcus micros | gram +; Stäbchen | anaerob | + |
Streptococcus intermedius | gram + ; Stäbchen | anaerob | +![]() |
Die Behandlung von Parodontitis Stadium I bis III als GOZ-Abrechnungshilfe
(zm, 2021)
KZBV stellt drei Videos zur neuen PAR-Richtlinie online
(zm, 2021)
Adaptation der S3-Leitlinie „Treating Periodontitis" veröffentlicht
(ZWP, 2021)
PAR-Richtlinie: Gebührenrechtliche Einordnung der S3-Leitlinie
(ZWP, 2021)
Parodontitis-Behandlung wird an den Stand der
Wissenschaft angepasst (zm, 2021)
Neu in 2019:
Klinischer Leitfaden: Die neue Klassifikation parodontaler
und peri-implantärer Erkrankungen und Zustände
Patienteninformation: Parodontalbehandlung (zm, 2020)
DG
PARO präsentiert neue S3 -Leitlinien zur Parodontitistherapie
Ätiologie der Parodontitis – gibt es neue Erkenntnisse?
Parodontitis ist bis zu einem Drittel erblich
Parodontale und peri-implantäre Erkrankungen - Neue Klassifikation vorgestellt